Der Preikestolen hat sich geleert und nun sind nur noch mein Fotorucksack und ich hier oben. Auf der anderen Seite der Felswand campen zwei Jugendliche, aber die bleiben auf ihrer Seite. Nicht daran zu denken – würde einer von beiden auf einmal hinter mir stehen, wenn ich hier auf dem Plateau auf und ab gehen. Die Lichtverhältnisse sowie auch das Wetter sind mehr als dynamisch. Plötzlich regnet es, ich packe alles zusammen und ziehe den Regenschutz über und keine zwei Minuten später ist dieser ... wie auch immer man das nennt -ein Schauer war das nicht – vorbei. Wieder alles aufstellen. Im Foto ist die Position der Kamera mit einem grünen und meine eigene mit einem orangefarbenen Kreis markiert.
Distanz etwa 70 m (+/-). Im Vorfeld habe ich Verschlusszeiten, unterschiedliche Blendeneinstellungen ausprobiert, um bei ganz verschiedenen Wetterbedingungen – die optimalen Einstellungen herauszuarbeiten. Die Frage „Warum?“ – aus dem 1. Teil ist noch nicht beantwortet, was ich nun gerne nachholen möchte. Portraitfotografie ist nicht mein Ding und Feierlichkeiten auch nicht. An Hochzeiten gar nicht erst zu denken. Es geht mir da alles zu schnell. Es ist der Tag, der Moment – alles muss passen und ganz nebenbei – dafür gibt es viele richtig tolle Fotografinnen und Fotografen, die dieses gelernt haben. Ich hingegen habe kein Problem damit abzuwarten. Vorher vieles auszuprobieren. Ich habe das Foto, das ich knipsen möchte, vorher im Kopf und darauf arbeite ich hin. Gibt es Fehlschläge? Absolut und das ist auch genau richtig so, denn daraus entsteht Erfahrung und manchmal entstehen ganz andere Fotos, die mich dann selbst überraschen. In meinem Kreyativ Workshop, wo es um das Fotografieren mit dem Mobiltelefon geht (Eigenwerbung: n. Termin 19.07.25 – 13-16 Uhr auf dem Schulschiff Deutschland in Bremerhaven – es sind noch Plätze frei) erkläre ich gleich zu Beginn, dass jedes Foto – so wie es ist ein kleines Kunstwerk ist. Das eigene Kunstwerk, denn bevor der Auslöser gedrückt wurde, hat man die Kamera am ausgewählten Objekt positioniert, vielleicht hier und da etwas korrigiert und dann – den Auslöser gedrückt. Zurück auf 604 Meter Höhe. Ich wartete also, verbracht die Zeit damit unterschiedliche Dinge auszuprobieren, ging immer wieder an die Kante, um dort für die Langzeitbelichtung zu verharren. Schon ein sehr spezielles Gefühl, denn ich darf mich möglichst nicht bewegen. Kein Blick nach hinten. Hauptsache die beiden Jungs sind auf der anderen Seite geblieben – so eine Überraschung würde mit Sicherheit die Situation hier oben ändern. Vielleicht das Fotoprojekt beenden. Plötzlich verdunkelt sich der Prikestolen. Eine Wolkenwand zieht über den darunterliegenden Fjord und es fängt leicht an zu regnen. Genau diesen Spray auf Wasser in der Luft brauche ich für den Lichtstrahl meiner Lampe. Ich positioniere mich an der Stelle, auf die ich den Fokus der Kamera fixiert hatte. Tief einatmen, einen Blick zur Seite auf die kleine rote blinkende Lampoe an der Kamera, die signalisiert, dass mein Fernauslöser die Kamera ausgelöst hat. 60 ... 59 ... – die Kamera belichtet zweimal 30 Sekunden und die Zeit fühlt sich an wie eine Ewigkeit. 3...2...1...0 – es ist vollbracht. Das muss es sein, denn der Himmel scheint schon wieder aufzuleuchten. Ich freue mich innerlich und bin gespannt. Der schnelle Blick auf den Monitor der Kamera lässt die Anspannung abfallen. Das sieht schon mal ganz gut aus, höre ich mich zu mir laut selbst sagen, aber wer sollte das hören – bin ich doch allein hier oben. Ich gebe diesem Foto den Namen: Lighthouse Prikestolen. Ein erneuter Blick auf die Wetter-App zeigt mir, dass es keinen Sonnenaufgang mit Fotoqualität geben wird. Wolken, Regen und starke Winde. Meine Entscheidung – ich beginne jetzt mit dem Weg zurück. Nicht gerade eine einfache Entscheidung, betrachtet man den steinigen Weg – aber eine Kopfentscheidung.
Kopflampe an und los geht es. Der Abstieg dauert nochmals länger, denn in der Dunkelheit kann das menschliche Auge tiefen nicht so gut erkennen. Vorsicht heißt die Devise. Heile ankommen – nicht wegrutschen oder umknicken. Über drei Stunden brauche ich bis nach unten. Dort angekommen gibt es für mich nur noch ein Ziel: Ab ins Dachzelt und schlafen!


Position der Kamera (GRÜN), meine Position während des Fotos (GELB). Dazwischen ein steiniger Weg.
Kommentar schreiben